29.4.11

AGNES FRANZ: LIEBE KANN NICHT UNTERGEHN!


AGNES FRANZ (1794-1843)


LIEBE KANN NICHT UNTERGEHN!


Wenn sie fremd sich von uns kehren,
Die wir treu und heiß geliebt,
Wenn kein Blick uns Antwort giebt
Auf des Kummers bange Zähren:
Da, o Liebe, halt' uns fest!
Zeige, daß Du uns geblieben,
Wenn auch das, was Menschen lieben,
Wandelnd, treulos sie verläßt!

Du bist ewig! Nur die Thoren
Klagen, Du sey'st wandelbar!
Eh' des Menschen Tag noch war,
War'st Du, Herrliche, geboren!
Du wirst leben, Du wirst seyn,
Wenn der Sonne Glanz versunken!
Deines Lichtes Götterfunken
Hüllet keine Dämm'rung ein!

Darum kannst Du auch nicht scheiden;
Wir nur scheiden uns von Dir!
Andern Göttern huld'gen wir,
Dir zur Trauer, uns zum Leiden!
Was uns kränkte, uns betrog,
War des Wahnes Truggebilde,
Das, statt Deiner Göttermilde,
Der Bethörte an sich zog.

Ruhig schauest Du von oben
In des Träumers wirre Nacht,
Bis er, weinend aufgewacht,
Nun den Schleier hat gehoben.
Da, - ein Stern, der nie verlischt,
Gehst du auf dem Kummervollen,
Bis der Reue Thränen rollen,
Und sich Schmerz mit Wonne mischt.

Und es bricht sich des Geschickes
Und des Hasses finstre Macht,
Alles Grau'n der alten Nacht,
An dem Lächeln Deines Blickes!
Und es tönet von den Höh'n:
"Wie auch, Mensch, Dein Lieben schwanke,
Wie, was Du geliebt, auch wanke:
Liebe kann nicht untergehn!"

25.4.11

BERTOLT BRECHT: VOM ERTRUNKENEN MÄDCHEN


BERTOLT BRECHT


VOM ERTRUNKENEN MÄDCHEN

1

Als sie ertrunken war und hinunterschwamm
Von den Bächen in die größeren Flüsse
Schien der Opal des Himmels sehr wundersam
Als ob er die Leiche begütigen müsse.

2
Tang und Algen hielten sich an ihr ein
So daß sie langsam viel schwerer ward.
Kühl die Fische schwammen an ihrem Bein
Pflanzen und Tiere beschwerten noch ihre letzte Fahrt.

3
Und der Himmel ward abends dunkel wie Rauch
Und hielt nachts mit den Sternen das Licht in der Schwebe.
Aber früh ward er hell, daß es auch
Noch für sie Morgen und Abend gebe.

4
Als ihr bleicher Leib im Wasser verfaulet war
Geschah es (sehr langsam), daß Gott sie allmählich vergaß
Erst ihr Gesicht, dann die Hände und ganz zuletzt erst ihr Haar.
Dann ward sie Aas in Flüssen mit vielem Aas.

21.4.11

JULIUS MOSEN: BRENNENDE LIEBE


JULIUS MOSEN (1803-1867)


BRENNENDE LIEBE


In meinem Garten lachet
Manch Blümlein blau und rot,
Vor allem aber machet
Die brennende Liebe mir Not.

Brauch ihrer nicht zu warten,
Sie blühet Tag und Nacht,
Wer hat mir nur zum Garten
Die brennende Liebe gebracht?

Wohin ich mich nur wende,
Blüht auch die holde Blum',
Es blühet sonder Ende
Die brennende Liebe ringsum.

Die bösen Nachbarinnen,
sie bleiben neidvoll stehn.
sie flüstern: Ach, da drinnen
Blüht brennende Liebe so schön!

19.4.11

FRIEDRICH RÜCKERT: DU BIST DIE RUH'


FRIEDRICH RÜCKERT (1788-1866)


DU BIST DIE RUH'


Du bist die Ruh'
Der Friede mild,
Die Sehnsucht du
Und was sie stillt.

Ich weihe dir
Voll Lust und Schmerz
Zur Wohnung hier
Mein Aug' und Herz.

Kehr' ein bei mir,
Und schließe du
Still hinter dir
Die Pforten zu.

Treib andern Schmerz
Aus dieser Brust!
Voll sei dies Herz
Von deiner Lust.

Dies Augenzelt
Von deinem Glanz
Allein erhellt,
O füll' es ganz.

16.4.11

JOSEPH VON EICHENDORFF: DER WEGELAGERER


JOSEPH VON EICHENDORFF


DER WEGELAGERER


Es ist ein Land, wo die Philister thronen,
Die Krämer fahren und das Grün verstauben,
Die Liebe selber altklug feilscht mit Hauben –
Herr Gott, wie lang willst du die Brut verschonen!

Es ist ein Wald, der rauscht mit grünen Kronen,
Wo frei die Adler horsten, und die Tauben
Unschuldig girren in den grünen Lauben,
Die noch kein Fuß betrat – dort will ich wohnen!

Dort will ich nächtlich auf die Krämer lauern
Und kühn zerhaun der armen Schönheit Bande,
Die sie als niedre Magd zu Markte führen.

Hoch soll sie stehn auf grünen Felsenmauern,
Daß mahnend über alle stillen Lande
Die Lüfte nachts ihr Zauberlied verführen.